Gestern, am 13.05.2006 überkam mich die Laufsucht. Viel hatte ich schon über das Leinebergland gelesen. Viel versprechende Trail soll es dort geben. Zeit für mich, diese zu erkunden.
Bei schönsten Sommerwetter fuhr ich zu Hause los und war um kurz vor 10:00 Uhr in Sibesse am Sportplatz angelangt. Schon unterwegs begeisterten mich die Berge.
Am heimischen PC hatte ich mir die Strecke ausgemessen und dann ausgedruckt, in Folie geschweißt und damit wasserdicht gemacht. Zwei Liter Wasser hatte ich in der Getränkeblase im Rucksack deponiert, dazu einen großen Apfel gegen den kleinen Hunger. So ausgerüstet starte ich um 10:00 Uhr vom Sportplatz in Richtung Abenteuer.
Durch die Feldmark hindurch führt der Weg Richtung Berg.
Von hier bot sich ein schöner Ausblick in die weitere Umgebung. Die Berge, die ich noch queren wollte, sie sehen in der Ferne so friedlich aus.
Hier ahne ich noch nicht, wie sich das Gesicht der Berge so schnell wandeln kann. Noch liegt alles friedlich vor mir. Ich habe ja meine Karten dabei und glaubte nun, es könne nichts mehr schief gehen.
Ein letzter Blick zurück und dann tauche ich in die Bergwelt ein.
Heimat für die nächsten Stunden.
Der Weg in den Berg. Ich trabe vergnügt vor mich hin, genieße das schöne Wetter. Ich bin so euphorisch, das ich nach Gefühl laufe und nicht nach der Karte. Prompt folgt die Strafe auf den Fuß. Ich stehe mitten im Wald, nichts mehr von Weg zu erkennen. Ratlos schaue ich umher. Ein Glück, ich entdecke an einem Baum ein weißes "T", für mich natürlich ein Wink mit dem Zaunpfahl. "T" steht für Trail, glaube ich ganz fest. Also folge ich den Zeichen. Aber auch nach einer halben Stunde ist immer noch nichts von Weg zu erkenne.
Dafür entdecke ich immer mehr solcher Höhlenbauten. Wer da wohl drin wohnt.
Ich laufe quer durch den Wald, bis ich dann etwas unterhalb einen Wanderweg entdecke. Mühselig kämpfe ich mich durch Gestrüpp und komme dann auf diesen Weg. Ich bin froh, als ich dort heile ankomme. Kurze Orientierung, dann entschließe ich mich, talwärts weiter zu laufen. Vergnügt trabe ich los. Nach einer halben Stunde komme ich an eine Kreuzung. Schlagartig wird mir klar, welch fatalen Fehler ich gemacht habe. Und der wird sich noch kräftig rächen. Ich habe mir den den Streckenabschnitt, den ich laufen will, ausgedruckt. Die daneben verlaufenden Wege und Berge fehlen gänzlich. Somit hab ich keine Orientierung, wenn ich von der Strecke abkomme. Ein richtiger Wanderplan, der hätte noch in den Rucksack gehört.
Nach langen Anstieg komme ich zu diesem Hinweisschild. Auf meiner Karte steht nur "Hohe Tafel", nicht Tafelberg. Ich folge dem Wegweiser. Eine wunderschöne Landschaft ist das hier. Ich freue mich, das ich hier laufen kann. Ich glaube, den Weg jetzt auf meiner Karte zu erkennen. Ich komme an ein weiteres Schild "Tafelberg". Aber eigentlich müsste hier jetzt gleich der Abstieg durch die "Wettenser Schlei" kommen, irgendwo gleich links. Aber ich finde nichts. Ich zweifele, beschließe dann umzukehren. Ich muss eine Informationstafel suchen um mir noch einmal einen gesamt Überblick zu verschaffen. Ich kehre um und laufe den ganzen Weg zurück. Bis runter ins Tal, zum Parkplatz "Bollen Hasen". Dort mach ich mich auf der Karte schlau, und mich trifft fast der Schlag. Ich hätte oben nur wenige hundert Meter weiterlaufen müssen und ich wäre in der "Wettenser Schlei" gewesen. Wie kann man nur so plemm plemm sein? Egal, ich freue mich trotzdem über jeden gelaufenen Kilometer. Gut 1 1/2 Stunden hab ich wohl an Zeit verloren. Trotzdem laufe ich fröhlich wieder hoch. Ich habe ja Zeit, mich treibt keiner. So lerne ich die Welt kennen.
Mühelos finde ich nun den Weg, der mich runter nach Wettensen bringt. Es ist wirklich geil, diesen Weg zu laufen. Wie der wohl auf dem Rückweg zu meistern ist.
"Roadrunners Hell" wird er genannt. Ich glaube, ich weiß nun auch warum.
Fast hätte ich diese dicke Schnecke platt getreten. Im letzten Moment konnte ich ihr ausweichen. Ich freue mich darüber wie ein kleines Kind. Der Weg ist so beeindruckend, er stimmt mich so fröhlich, das ich spontan anfange zu singen. "Geh aus mein Herz und suche Freud, in dieser schönen Sommerzeit" kommt mir über die Lippen. Das Herz läuft über vor Freude.
Immer wieder wechsle ich von rechts nach links, springe dabei über die ausgewaschene Furche und bin einfach glücklich wie ein kleines Kind.
Nach ca. 1,5 km komme ich aus dem Berg. Ein beein-druckendes Bild bietet sich mir. Berge, Berge und noch einmal Berge. Da will ich überall noch hin.
Blick zurück, von daher komm ich.
Baumschule
Das Leinetal. Gelbe Rapsfelder, Berge, die ich noch erlaufen will. Läuferherz, was willst Du mehr. Dieser Anblick erquickt meine Seele.
Auf breiten Weg komme ich der Ortschaft Wettensen immer näher. Auch das ist doch wieder ein herrlicher Anblick.
Ich durchquere den Ort und komme dann auf den Radwanderweg. Dabei treffe ich noch auf einen kleinen Zwergenstaat. Schön, wer sich solche Mühe macht und die Zwerge so pflegt.
Dieser Lauf hat bisher schon viel geboten. Aber was noch alles auf mich zukommt, das ahne ich noch nicht.
Ich verlasse Wettensen und laufe nun entlang der Leine. Nach einigen 100 Metern quere ich den Fluss über eine Holzbrücke und strebe nun auf Godenau zu.
Wohin ich auch schaue, überall sind Berge.
In Godenau führt der Weg an diesen Reihenhäusern vorbei in Richtung Brunkensen. Fast direkt neben dem Flüsschen Glene entlang.
Plötzlich taucht er vor mir auf. Der Duinger Berg. Es ist noch ein gutes Stück dahin. Aber aus der Ferne flößt er doch schon Respekt ein.
Da liegt er nun vor mir, der Duinger Berg.
Am Waldrand steht ein Bank. Von hier bietet sich ein schöner Blick zurück. In der Ferne ziehen Wolken auf und ich höre auch leises Donnergrollen. Aber das stört mich nicht, ich hab ja eine Regenjacke im Rucksack.
Ich reiße mich von der Bank und dem herrlichen Ausblick los. Ich bin gespannt, denn nun soll einer der schönsten Strecken-Abschnitte kommen.
Die Bilder überzeugen doch. Es ist einfach wundervoll, hier laufen zu dürfen und zu können.
Mit Worten kann man es nicht beschreiben. Man muss hier einfach gelaufen sein.
Hindernislauf.
Dieser Weg, den man stellenweise nur ahnt, der ist schon etwas für eingefleischte Trailrunner. Ein Hochgenuss pur.
Gleich bin ich auf dem Kammweg.
Ich bin oben angekommen. Das Donnergrollen wird immer stärker und Regen setzt nun auch ein.
So geht es Kilometer um Kilometer weiter. Ich bin wie gefesselt von diesen herrlichen Trail und erschrecke heftig, als ein Donnerschlag direkt über mir den Wald erzittern lässt. Der Regen verwandelt sich in dicke Hagelkörner die unangenehm auf Kopf und nackte Beinen treffen. Jetzt schlagen auch rechts und links die Blitze ein, denen auch sofort der Donnerschlag folgt, Schwefelgeruch liegt in der Luft. Mir wird nun doch etwas mulmig zu mute. Aber was soll ich machen, soll ich mich hinkauern, wie vorgeschrieben und erfrieren oder weiterlaufen. Ich laufe weiter. Nach einigen Minuten ist der Spuk vorbei, genau so schnell, wie er gekommen ist.
Ein natürliches Hindernis, wie es hier öfter liegt.
Die Bilder können nicht zeigen, wie toll es in Wirklichkeit ist.
Wie durch einen Tunnel führt hier der Weg. Zwischendurch bietet er noch wundervolle Ausblicke in das Leinetal.
Ich nähere mich dem Ausgang. Der wunderbare Trail ist zu Ende.
Noch ein Blick in den Steinbruch, dessen Tor offen steht.
Da muss ich hin, das ist der Külf, das nächste Ziel. Vorher muss ich noch das Leinetal durchqueren, welches nun unter Dampf steht. Die Sonne lässt den Niederschlag verdampfen und hinterlässt schwüle Luft, bei der der Schweiß in Strömen fließt.
Auf dem Weg nach Deinsen. Auf dem Sportplatz findet ein Fußballspiel statt und als ich dort vorbei laufe fällt gerade ein Tor. Die Zuschauer jubeln frenetisch. Durch die neue Siedlung laufe ich wieder hinaus in die Natur.
Hinter dem Ehrenmal geht es direkt wieder in den Berg.
Hier führt der Weg stetig nach oben in die Külf.
Nach einem nicht enden wollenden Anstieg stehe ich plötzlich vor einem Turm. Eine junge Familie steht oben drauf und schaut sich die Umgebung an. Das reizt mich natürlich auch und so lege ich noch einen Treppensprint hin. Es hat sich gelohnt, der Ausblick von hier ist toll. Leider zeigt er mir auch, das von links wieder ein Unwetter aufzieht.
Der Familienvater erzählt mir von einem Unwetter, das hier vor Jahren mit einer richtig großen Windhose einen beträchtigen Schaden anrichtete. So etwas scheint sich nun auch wieder anzubahnen.
Freundschaftlich trennen sich unsere Wege und ich tauche wieder in das dichte Unterholz ab. Leise fängt es wieder an zu regnen.
Es wird dunkel, das Gewitter rückt näher. Der Weg ist noch lang. Hier bin ich wieder ganz auf mich allein gestellt. Das ist wie ein kleines Abenteuer. So alleine in der Natur, das ist das, was ich liebe. Nur auf sich und das Gottvertrauen gestellt.
Nein, es ist unfassbar, was ich hier für herrliche Wege laufe, das ist nicht mehr zu toppen. Ein Single Trail, wie er schöner nicht mehr geht. Baumwurzeln über Baumwurzeln, gefährlich. Sie sind durch den Regen glatt wie Eis. Mehrmals gelingt es mir nur mit Mühe, nicht zu stürzen. Der Regen geht über in Hagel. Es wird richtig kühl. Tempo anheben, das man nicht friert. Mit der Regenjacke schütze ich mich wieder vor den Hagelkörnern. Das Gewitter kommt immer näher und der ohrenbetäubende Donner flößt mir immer mehr Respekt vor der Natur ein. Aber dieser supergeile Single Trail bietet einfach alles, was das Herz begehrt. Glücksgefühle durchströmen mich, lassen einfach alle Gefahren vergessen. Kein Schmerz, keine Schwächen. Ich genieße jeden Schritt auf diesem Bergrücken.
Keine Lust, mich hier unter zustellen.
Der Hagel lässt nach und ich schieße noch schnell ein Foto. Dann verpacke ich die Kamera erst einmal wieder wasserdicht im Rucksack. Das Gewitter lässt nach, aber der Regen bleibt, wird sogar noch heftiger. Er wird der Rest des Tages mein Begleiter bleiben. Irgendwann geht auch dieser herrliche Weg zu Ende. Durch die Kolonie Godenau führt der Weg wieder zurück in die Zivilisation. Hier bin ich wieder in bekannten Terrain.
Da bin ich heute Vormittag schon vorbei gekommen. Nun kenne ich den Weg und kann die Karten stecken lassen. Der Regen wird immer heftiger, die Kamera kann ich nicht mehr rausholen, sie würde sofort absaufen. Ich habe keine trockene Faser mehr am Körper. Aber ich friere nicht, nichts ist von Kälte zu spüren. Ich fühle mich noch wohl. Als ich in Godenau die Gleise überquere und wieder in die Feldmark komme, da zucken wieder Blitze wie wild um mich herum, als ob sie mich verjagen wollten. Ihnen folgt sofort der Donnerschlag, der mich doch so langsam erzittern lässt. Aber ich muss weiter. Die Zeit drängt. Es ist 19:00 Uhr durch. Ich muss noch die Wettenser Schlei hoch und den Einstieg Richtung Sibbesse finden. Und es wird stetig dunkler. Ein ungutes Gefühl überfällt mich. Was, wenn mich die Dunkelheit mitten im Berg überrascht. Ich hatte nicht mit einer so langen Laufzeit gerechnet. Habe nur meine kleine Notstirnlampe dabei. Die Gedanken machen mir zu schaffen. Ich beruhige mich, verlasse mich auf meine Beine. Die werden es schon machen. Also mit voller Kraft vorraus. Richtung "Roadrunners Hell".
Den Anstieg habe ich dann auch bald erreicht. Furchteinflößend liegt er vor mir. Ein kleiner Riegel Mars, meine erste Nahrung während des Laufs, wird noch schnell gefuttert, dann beginnt der Anstieg.
Den Blick nach oben gerichtet, erstürme ich diesen 1,5 km langen Anstieg. Der Anblick ist beeindruckend, denn es ist kein Weg mehr, es ist ein Fluss geworden. Stellenweise knöcheltief laufe ich durch Wasser, mein Atem rasselt. Weiter, keine Zeit verlieren. Gib alles. Die Beine werden schwer, es ist fast 20:00 Uhr, die Dunkelheit schreitet voran.
Der Atem keucht, ich sende ein Stoßgebet zum Himmel. Endlich kommt der Scheitelpunkt in Sicht. Längst hab ich die Hände auf die Oberschenkel gepresst und versuche dadurch das Bergauf Tempo zu halten. Aber es nützt nichts, als ich oben ankomme, da bin ich platt wie eine Flunder. Ich gönne mir eine kleine Verschnaufpause, sammle Kräfte. Ich merke, wie schnell die Kräfte wiederkommen und freue mich über diesen guten Trainingszustand. Bisher hab ich noch keinen Schmerz und keinen Krampf gehabt. Das beruhigt und erfreut mich riesig.
Weiter geht es, nun erst einmal lange bergab. Ich muss aufpassen, das ich den Baum an dem mit Farbe der Name Sibesse gesprüht wurde, nicht verfehle. Aber ich laufe dran vorbei und komme dann an eine Schutzhütte.
Mein Stoßgebet scheint erhört worden zu sein. Denn hier feiern Jugendliche trotzt strömenden Regen in der Schutzhütte. Sie bieten mir gleich etwas zu trinken an und fragen mich neugierig aus. Bereitwillig erzähle ich von meiner Tour und schwärme ihnen etwas vor.
Sie kennen sich bestens aus und empfehlen mir, nicht über den Berg nach Sibbesse zu laufen. Wenn ich den Weg nicht genau kenne, dann würde es schwer für mich werden. Alternativ müsste ich den Weg dort ca. 5 km nach unten laufen. Da käme ich dann auf eine Kreisstraße. Der müsste ich links folgen und nach ca. 15 km würde ich direkt nach Sibbesse kommen. Das hört sich für mich gut an, bringt Kilometer und ist auch im Dunklen sicher zu laufen.
Nach einem weiteren Glas Cola verabschiede ich mich von den netten jungen Leuten und folge dem vorgeschlagenen Weg. Als ich dann die Kreisstraße erreiche, da glaubte ich, hier schon einmal gewesen zu sein. Richtig, da stand die Hinweistafel von heute Morgen. Parkplatz "Bollen Hasen". Hier stand ich heute Morgen schon. Egal, links ab und auf die Kreisstraße. Ständig ging es bergauf, der Regen prasselt auf mich nieder. Entgegenkommende Autofahrer halten mich für bekloppt und signalisieren das auch mit Hupkonzerten. Von ihnen rechnet niemand damit, das ihnen ein Mensch entgegenkommt. Daher gehe ich schon immer auf den Grünstreifen, sobald ich einen Lichtkegel entdecke. Man lebt schließlich nur einmal.
Nach "unendliche langer Zeit" taucht dann ein Verkehrsschild auf. "Sibbesse 2 km " steht da drauf. Das gibt noch einmal einen Schub. Der Regen wird auch weniger. Ich freue mich, bin stolz darauf, was ich heute schon gelaufen bin. Nun schaffe ich den Rest auch noch.
Aber ganz so leicht wird es doch nicht. In der Dunkelheit den Sportplatz zu finden, ist gar nicht so einfach. Nach einer Ehrenrunde durch das Dorf frage ich dann bei der Aral Tankstelle nach dem Sportplatz. Mit einer Flasche Cola bewaffnet komme ich dann um genau 22:00 Uhr wieder bei meinem Auto an. Die Wirtin in der Sportlergaststätte schließt gerade die Tür ab und wundert sich, wo ich wohl herkomme.
Ein ereignisreicher mit vielen unvergesslichen Eindrücken bestückter Tag geht zu Ende. Es war einfach genial.
Fast 78 km mit ca. 1900 HM liegen hinter mir.