Am 20. / 21.06.2009 fand der 10. Run for Help in Bad Lippspringe statt. Da sich wieder eine große Laufgemeinde aus den unterschiedlichsten Laufforen angemeldet hat, beschloss ich, dort auch mitzulaufen um mal wieder viele Bekannte zu treffen.
Das Jahr hatte mir bisher noch nicht viel Gutes geschenkt. Erst am 24.04.2009 bin ich nach fast eineinhalb Jahren wieder zum laufen gekommen. Krankheitsbedingt, eine schwere Borreliose hatte mich außer Gefecht gesetzt, komme ich nun langsam wieder in Fahrt.
Letztes Wochenende machte ich einen Testlauf über 45,7 km. Der fiel ganz gut aus und machte mir Mut auf mehr.
Also fuhr ich dann am 20.06.2009 morgens um 6:30 Uhr in Richtung Bad Lippspringe. Mein Auto voll gepackt mit Verpflegung, genügend Laufsachen und was man sonst noch braucht, um 24 Stunden zu überleben.
Bereits um 8:00 Uhr war ich vor Ort, genau auf dem Parkplatz, den ich schon 2007 hatte.
Vorteil, er liegt fast an der Strecke und ich kann schnell an meine Wechselsachen, wenn das Wetter umspringt. Wie sich später rausstellt, war das wieder goldrichtig.
So früh am Morgen war natürlich noch nichts los und ich durchkämmte erst einmal den Kurpark. Der gefällt mir immer wieder und sieht jedes Jahr anders aus. Die Gärtner geben sich viel Mühe und ihnen fällt immer etwas Neues ein.
Klaus trifft als erster ein.
Aufbau der Zelte
Smal talk zwischen Läufern.
Christoph mit Sohn.
Nach einigen Ansprachen folgte pünktlich um 14:00 Uhr der Start zum 10. Run for Help.
Ein wunderschöner Nachmittag begann. Der Himmel versprach schönstes Wetter. Es war einfach herrlich.
Es dauerte ungefähr zwei bis drei Runden und das Läuferfeld zog sich soweit auseinander, das man laufen konnte, ohne behindert zu werden oder zu behindern.
Meinen Lauf Rhythmus hatte ich längst gefunden. Ich war sehr langsam im Vergleich zu früheren Zeiten, das merkte ich ganz deutlich. Aber das störte mich nicht. Ich kann wieder laufen, bin überhaupt wieder unterwegs. Unter Gleichgesinnten. Das war das eigentlich Schöne. Die Walker, die sich profilieren wollten und mir zeigen mussten, dass sie schneller sind als ich, die taten mir eigentlich nur leid. Wenn die wüssten was ich hinter mir habe und das ich die 24 Stunden so durch laufe, vielleicht würden sie ihren Hochmut ablegen. Ich bin deswegen aber niemanden böse. Die Jugend ist ja lernfähig.
Nur wenn es mir zu blöd wurde legte ich eine richtige Schüppe drauf und ließ sie ein- bis zweihundert Meter hinter mir, dann hatte ich wieder meine Ruhe.
So rann die Zeit dahin. Immer wieder starteten Kindergärten mit ihren Gruppen. Die kleinen Kinder hatten alle ein fröhliches Lachen im Gesicht und untereinander wurden die schönsten Wettkämpe ausgetragen. Das war auch für mich ein herrliches Erlebnis.
Als ich mich wieder einmal dem Startpunkt näherte, stand dort bereits der evangelische Kindergarten und wartete auf sein Startsignal. Der Sprecher rief über sein Mikrofon:
„Da kommt jetzt Rainer, der schon vor zwei Jahren viele Runden gelaufen hat. Für Ihn macht Ihr jetzt eine große Welle“.
Und das ganze Publikum stimmte in den Gesang ein und empfing mich mit einer La-Ola-Welle.
Das rührte mich doch schon mächtig. So ein Empfang, das erlebt man nicht oft.
Artig bedankte ich mich bei allen und lief tief berührt weiter.
In dem Moment wusste ich, das ich den Lauf nicht vorzeitig beenden würde. Da müssten schon physikalische Katastrophen passieren.
So lief ich Runde um Runde auf dem 620 Meter langen Kurs. Nach genau 2 Stunden war ich bei Kilometer 12. Wahrlich kein Tempo, aber wozu auch. Sinn der Veranstaltung ist es, so viel Runden wie möglich zu laufen, denn jede Runde zählt. Wenn ich 24 Stunden laufe, dann kommen auch bei diesem Tempo schon einige Kilometer und Runden zusammen.
Nach 4 Stunden war ich bei Kilometer 24,8 das waren schon 40 Runden.
Den ersten Marathon hatte ich nach ca. 7 Stunden geschafft.
Jetzt waren viele Jugendlich auf der Strecke unterwegs. Mit einigen kam ich ins Gespräch und sie erzählten mir von ihren Lauferlebnissen hier auf der Strecke. Wie sie ihre Freunde versägt hätten und schon über 200 Runden gelaufen hätten. Und das ohne Schweißperle auf der Stirn.
Da wurde mir erst klar, dass Kinder ja noch gar keine Beziehung zur Zeit und zu den Streckenlängen haben. Im Spiel kümmern sie sich noch gar nicht um so etwas und erzählen dann nur ihre Träume. Das sieht man auch immer wieder daran, dass sie vorlaufen bis sie nicht mehr können und dann wieder auf ihre Freunde warten um dann wieder los zu laufen.
So wurde es mir nie langweilig, die Kinder unterhielten mich, ich half ihnen, wenn die Schnürbänder aufgegangen waren, erzählte ihnen von meinen schönsten Läufen. Es war einfach richtig toll.
Es wurde immer später und um 22:00 Uhr begann ein Highlight, für mich einfach genial. Wenn es wohl auch von den meisten Läufern nicht richtig genutzt wurde.
Von nun an konnte man durch das Kongresszentrum laufen. Schön einige Treppen hoch und oben praktisch quer über die Tanzfläche. Wunderbare Live Musik und ein Publikum, welches einen euphorisch anfeuerte. Das gab Gänsehaut und immer wieder neue Motivation für die nächste Runde. Bis ca. 3:00 Uhr nachts lief ich dort jede Runde durch.
Die Treppen
Eingang zum Vergnügen
Nun wurde es einsam auf der Strecke, die mittlerweile von tausenden Teelichtern beleuchtet wurde. Kaum noch jemand unterwegs. Im völligen Sauerstoff Gleichgewicht zog ich meine Runden. Keine Probleme mit irgendwelchen Muskeln, Sehnen oder Gelenken. Es lief einfach super.
Gegen 4:00 Uhr setzte dann heftiger Regen ein. Ich hatte glück, war kurz vor dem Streckenabschnitt, wo ich an meine Wechselsachen kam. Schnell hin, Regenjacke an und dann ging es wieder weiter.
Lange Zeit traf ich niemanden mehr auf der Strecke. „Die Einsamkeit des Langstreckenläufers“ (Ein Buchtitel von Allan Silitoe) war hier zu spüren.
Aber auch die Zeit geht vorbei.
Langsam erwacht das Leben, auch der Regen hört wieder auf, die Strecke füllt sich.
Einen besonderen Läufer traf ich immer wieder auf der Strecke. Das war Horst, schon etwas älter als ich. Vor zwei Jahren hatte ich Ihn schon immer bewundert. Wie ein Uhrwerk wanderte er damals im „Geschwindschritt“ über die Strecke. Ich glaube sein Rekord liegt bei über 140 km. Dieses mal wurden es bei Ihm wohl an die 90 km.
Immer wenn wir uns auf der Strecke begegneten grüßten wir mit Schulterklopfen und zogen gemeinsam einige Runden durch. Wir erzählten aus der guten alten Zeit, als die Altersläufer noch die Lauf Zene bestimmten, als es noch Veranstaltungen wie die 100 km in Unna gab. Der Gesprächsstoff ging uns nicht aus. Es war einfach richtig schön, mit so einem netten älteren Herrn die Strecke zu laufen.
Gegen 7:00 Uhr gab es dann Frühstück. Gemeinsam mit den anderen Streakern wurde geschmaust. Ich trank zwei Kaffee und aß ein Brötchen mit Mettwurst. Mehr Hunger hatte ich noch nicht. Bisher bin ich sehr gut mit den Apfelstückchen zurechtgekommen. In Verbindung mit Apfelschorle oder nur Mineralwasser, war das alles, was ich bisher gegessen habe.
Das Frühstück dauerte nicht lange und war meine erste und einzige Pause. Lediglich das Hemdenwechseln ließ mich für einen Moment zum Stehen kommen. Ansonsten war ich immer unterwegs.
Nach 16:17 Std. hatte ich 86,18 km zurückgelegt. Nach 19:35 Std. war ich bei km 101,6 und mir fehlte nichts. Das kann ja heiter werden.
Die letzten 4 Stunden liegen vor mir. Der Ansager im Zielbereich ruft wieder die Zuschauer auf, mir zu applaudieren. Er erzählt, dass ich seit gestern 14:00 Uhr unterwegs bin, pausenlos laufe. Die Leute klatschen und rufen mir zu. Meine Gänsehaut macht sich immer wieder bemerkbar. Ich freue mich wie ein kleines Kind über soviel Herzlichkeit, die mir entgegengebracht wird.
Nach 22 Stunden bin ich bei Kilometer 113,4 angekommen. Das sind 183 Runden.
183 Runden, auf denen ich viele nette Menschen kennen gelernt habe, in ganz, ganz viele glückliche Kinderaugen gesehen habe. Kindern zugehört habe, die mir etwas erzählen wollten, die etwas über das Laufen hören wollten. Kindern geholfen habe, ihre Schuhe wieder zuzubinden.
Die letzte Stunde bricht an. Ich genieße es, hier zu laufen. Das Gefühl: “Wann ist es endlich vorbei?“, was sonst immer in den letzten Stunden aufkommt, das war dieses Mal überhaupt nicht da. Zu viel Freude hat mir dieser Lauf gemacht. Ich musste in keiner Minute leiden, es war einfach nur schön.
Nach 23:36 Stunden und 121,52 Kilometern treffen wir Einzelläufer uns alle 100 Meter vor dem Ziel um dann zusammen durch das Ziel zu laufen und den Lauf gemeinsam zu beenden. Ein schöner Moment um noch mal Bilder von uns allen zu machen.
Mit Stepp schwärmte ich noch einmal über die leckere „Bochumer Currywurst“ und dann liefen wir gemeinsam durch das Ziel.
Damit war der 10. Run for Help beendet.
Der Ausrichter bedankte sich bei den erfolgreichen Teilnehmern und für die erlaufene Summe von 15.000 €, die wieder für einen guten Zweck zusammen kamen.
Zum Schluss rief er mich noch in die Mitte und ich durfte kurz über den Lauf, meine Gefühle und mir einige Worte erzählen, bevor dann auch die Reporterin von Radio Hochstift zu mir kam und mir einige Fragen stellte.
Dann war der Lauf endgültig vorbei. Wir hatten alle eine schöne Zeit und es war schön, alte Freunde wieder zu treffen, neue kennen zu lernen und viele Geschichten zu hören.
Laufen ist doch der schönste Sport, weil man damit auch noch helfen kann.
In diesem Sinne „Run for Help“, bis zum nächsten Jahr.
Horst wird geehrt und erhält die Starnummer 1 auf Lebenszeit.
Steppenhahn und sein treuer Begleiter.
Frank mit seiner Tochter
Die Langläufer
Marcus ist immer gut gelaunt, auch beim Laufen hat er immer ein Lächeln im Gesicht.
Nachts an der Strecke. Tausende Teelichter weisen den Weg
Das Colani Mobil, unser Verpflegungsstand für 24 Stunden.
Die Sonne leuchtete die Nacht hindurch.
Über 195 mal bin ich hier vorbei gelaufen.
Zelte (Tipis) der Kinder.
Ein tolles Fahrrad
Sieht doch echt toll aus, oder?
Was der Papa alles machen muss.
Durch die Gärten hindurch. Ein schöner Lehrpfad wurde hier angelegt.