Am Wochenende, dem 19. Und 20. Juni trafen sich wieder viele Streakrunner und deren Fans zum 24 Stunden Lauf in Bad Lippspringe. Ich bin nun zum dritten Mal dabei. Früh genug bin ich zu Hause losgefahren, legte noch einen Boxenstopp bei meinem Bäcker ein und zockelte dann gemütlich in Richtung Bad Lippspringe los. Kaum Verkehr auf den Straßen, das Fahren machte Spaß und um 08:30 Uhr stand ich nach 95 km Autofahrt auf meinem „Stamm Parkplatz“.
Da der Start ja erst um 14:00 Uhr stattfindet, hab ich noch genügend Zeit, um einen Rundgang durch die Gemeinde zu machen.
Als erste Lauffreunde treffe ich dann auch Marc und Christian. Innerhalb kürzester Zeit kommen dann auch die anderen dazu. Viele neue und altbekannte Gesichter, Menschen, die das gemeinsame Hobby verbindet. Die Freude am Laufen, viele dabei, die täglich laufen. Streak Runner. Beim Zelte aufbauen und Klönen vergeht die Zeit und ehe man denkt, fällt der Startschuss.
Noch spielt der Wettergott einigermaßen mit. Eigentlich wäre es schön, wenn es so bliebe. Aber leider wird sich das noch ändern.
Aber jetzt sind wir erst einmal unterwegs. Die vielen Kinder und Jugendliche sorgen dafür, dass man die Augen offen hält und konzentriert läuft, um Zusammenstößen zu entgehen. Sie haben noch kein Gefühl dafür, dass andere ja auch laufen wollen und auch mal überholen möchten. Sie leben noch in ihrer kleinen Welt. Und das ist auch gut so. Ich freue mich immer wieder, wenn ich lauschen kann, wie sie sich gegenseitig zum Laufen animieren. Fantastische Rundenzeiten und Rundenzahlen kommen über die kleinen Lippen. Was ist das doch für eine schöne Kinderwelt. Da kann man sich doch wieder wünschen, Kind zu sein.
So vergeht die Zeit. Horst Hirsch läuft auch wieder mit. Der nette Mensch, der die Startnummer 1 auf Lebenszeit bekommen hat. Ihm zollt das Alter genau so Tribut, wie mir auch. Beide haben wir wohl den „Tempo Zenit“ längst überschritten. Aber das stört Ihn wohl genau so wenig wie mich. Denn wir haben uns die Freude am Laufen bewahrt und die lässt uns immer wieder antreten, lässt uns immer noch weiter laufen. Natürlich können wir nicht mehr mit zwanzig Jahre jüngeren Teilnehmern mithalten. Das will ich zumindest auch gar nicht.
So erlaufe ich den „ersten“ Marathon noch unter 6 Std. obwohl ich eigentlich 7 Std. dafür brauchen wollte. Vielleicht rächt sich das noch am Ende. Eigentlich wollte ich nie gegen meine Regel verstoßen, den ersten Marathon als schnellsten zu laufen, aber das Umfeld hat mich heute doch ein wenig übermotiviert.
Die 50 km Marke lass ich nach etwas über 7 Stunden hinter mir, fühle mich aber noch relativ fit. Lediglich zwischen den Schulterblättern hab ich ein Gefühl, als ob eine Erkältung im Anmarsch sei. Nach einigen weiteren Runden merke ich erst, dass es vielleicht von der Kälte kommen könnte, die nun langsam in mir hochkriecht. So beschließe ich erst einmal etwas Wärmeres unter zu ziehen.
Nach 10:47 Stunden erreiche ich die 70 km Marke. Das Wetter ist umgeschlagen. Es regnet immer wieder, mal mehr, mal weniger. Saukalt ist es geworden. Die vielen hundert Teelichter entlang der Strecke sind bis auf ein paar wenige alle erloschen. Die Läuferschar auf der Strecke hat sich deutlich dezimiert. Ich kann mich nicht dazu durchringen, eine Schlafpause einzulegen. Wer rastet, der rostet. Ich befürchte, dass ich bei dem Sauwetter keine Motivation zum Neustart finde. Darum laufe ich durch.
Irgendwann erwache ich aus meiner Lethargie und denke, das da vorne könnte Skeeve sein. Aber so mitten in der Nacht, bei dem Sauwetter, nur mit dünnen T-Shirt. Ich glaube, ich hab Halluzinationen. Ich überhole ihn und erkenne ihn nicht wirklich in der Dunkelheit, bin aber auch zu feige um zu fragen. Bei der nächsten Runde treffe ich Ihn wieder, da sitzt er auf der Mauer vor der „Streak Runner Zeltstadt“, der Groschen fällt. Herzliche Begrüßung und dann sind wir beide gemeinsam einige Runden gewandert und haben über Gott und die Welt philosophiert. Das war genau zum richtigen Zeitpunkt um durch das kleine Tief zu kommen. Danke Skeeve, das Timing passte.
Irgendwann war ich dann wieder allein unterwegs. Die Kälte zerrte doch ganz schön. Außer ein paar Apfelstückchen hatte ich noch nichts gegessen. Der Brennstoff ging zur Neige. Die Kälte kroch in mir hoch. Aber bis zum zweiten Marathon wollte ich noch durchhalten. Nach 13:25 Stunden war es dann so weit. Der zweite Marathon war geschafft. Frank wollte eigentlich ein Interview mit mir machen. Aber er war zu diesem Zeitpunkt in einem kleinen Tief. Als ich an seinem Zelt vorbei kam, zog er gerade seine nassen Füße hinein und knipste das Licht aus. Ich gönnte ihm die Ruhe und den wahrscheinlich auch nur kurzen Schlaf.
Mein Weg führte mich dann zum Auto um mich komplett umzuziehen. Ich brauchte einfach das Gefühl, mal wieder trocken zu sein.
Aber ich saß kaum im Auto, da überfiel mich der typische Hungerast. Ich fror wie ein Schneider, die ganzen Knochen zitterten. Man gut, das ich das Gefühl aus längst vergangenen Zeiten noch kannte. Mühsam öffnete ich die Haribo Tüte und fiel gierig über die leckeren Weingummi und Lakritz Teilchen her. Zwischendurch immer wieder ein Biss vom Vollkornbrötchen und langsam kam ich wieder in den Normalzustand zurück.
Warm eingepackt machte ich mich dann auf den Angriff der 100 km los.
Mühsam begann ich wieder mit dem Laufen. Kaum Menschen auf der Strecke, das ist schon nicht einfach, wieder in den Rhythmus zu finden. Aber auch da kommt man durch und irgendwann ist man wieder in seiner „Welt“, schlurft im Schlappschritt vor sich her und vergisst Zeit und Raum.
Plötzlich werde ich von einer Laufgruppe überholt, ein Mädel dreht sich um und stellt sich als „Laufschnecke“ vor. Ich grüße zurück und sie laufen weiter.
Laufen macht auch manchmal „Betriebsblind“, wohl besonders bei längeren Läufen. Erst in der nächsten Runde, als einer von hinten ruft: “Das ist bestimmt der Rainer“, da merke ich, das die „Laufschnecke“ in Begleitung von Gregor über den Parcours jagt. Den hab ich vorher überhaupt nicht erkannt oder bemerkt. Beide sind zusammen so gegen 4:00 Uhr hier gestartet und wollen den Rest des Tages laufen. Da hab ich für einige Runden die richtigen Lauffreunde erwischt, die mich wieder mit unverbrauchter Energie anstecken, neu motivieren.
Aber irgendwann bin ich wieder alleine unterwegs, die komischsten Gelüste kommen auf. Eine Currywurst, das wäre es jetzt. Oder nur eine Tasse Kaffee mit einem Salami Brötchen. Der Duft sitzt mir richtig in der Nase. Zu allem Unglück macht nun das Frühstückszelt auf. Die ersten Läufer strömen dort hin. Kolibri (Michael) winkt mir zu. Aber ich will erst die 100 km voll durchlaufen. Dann gibt es Futter. Das ist dann auch nach 16:39 Stunden Laufzeit endlich so weit. Ich mache keine Runde weiter, jetzt wird sich umgezogen, dann kommt das schönste vom ganzen Tag.
Ausgiebig genieße ich die frischen Brötchen und den leckeren Kaffee. 100 km sind trotz widriger Wetterbedingungen geschafft. Alles was nun noch folgt, ist eigentlich mehr, als ich erwartet habe.
Nach dem Frühstück fällt es mir doch ziemlich schwer, wieder Motivation zu finden. Wer rastet, der rostet. Da ist was dran. Die Kälte und der Regen der vergangenen Stunden fordern ihren Tribut. Die mentale Stärke lässt deutlich nach. Ich bin eigentlich so schon ganz zufrieden. Gut, ein paar Kilometerchen noch dazu, aber ganz gemach.
Auf der Strecke nimmt das Leben wieder zu. Immer mehr Walker und Läufer kommen hinzu. Nach der Ruhe der Nacht wird es mir nun zu unruhig. Die Lauflust schwindet immer mehr und bei der wunderschönen Kilometerzahl 111 auf dem GPS kann ich mich nicht mehr durchringen, noch einen Schritt weiter zu laufen. Ich höre auf, mache Feierabend. Es war ein Lauf mit allen Höhen und Tiefen wie man sie erleben kann. Ich habe viele nette Menschen kennen gelernt und alte Bekannte Gesichter wieder getroffen. Es war eine wunderschöne Zeit, diese Stunden hier im Kurpark von Bad Lippspringe. Doch alles hat seine Zeit, für heute ist Schluss.
Frank schreibt im „Streak Runner Forum“
Ein kurzer Ergebnisbericht
Bei nicht immer ganz einfachen Bedingungen (Regenschauer, Kälte) ist BaLi für die streakrunner-Fraktion erfolgreich zu Ende gegegangen. Es ist gleichzeitig eine Geburtsstunde für 3 neue + 100km Ultras und zwei neue Ultras geworden.
Andrea (I feel good) läuft bei ihrem ersten 24er gleich die Bestleistung aller streakrunner, ihren ersten Ultra mit 3 Marathons, insgesamt 128,343 km. Sie lief wie ein Uhrwerk und gönnte sich dabei noch eine ausgedehnte Nachtruhe.
Frank auch bei seinem ersten 24er 100+ km, insgesamt 120,900 km, kann dabei aber nicht ganz mit Andrea mithalten. Zwischen 01 und 03 Uhr morgens ein ganz schwierige Phase, wo ihm Kälte, Erschöpfung und Müdigkeit schwer zu schaffen machen. Nach 2,5 stündiger Ruhepause, dann aber wieder aller im grünen Bereich.
111 km schlagen für Rainer (Wesergebirgsläufer) zu Buche, der nach 22 Stunden keine Lust mehr hat und sich verabschiedet.
Ebenfalls 100+er ist Marc, allerdings nicht zum ersten Male 103,540 km insgesamt.
Sarah sorgt für eine kleine Überraschung, nachdem sie vor nicht ganz zwei Monaten ihren ersten M beinahe an die Wand setzte, erläuft sie hier ungefährdet die 100 km, insgesamt 102,300 km. Es wäre auch noch ein Tick mehr drin gewesen.
Knapp unter 100 km muss Beppomat aufhören, ein beginnender shin splint verhindert Größeres.
93,620 km erläuft Christel und damit mehr als zwei M bei ihrem zweiten 24er und damit neue PB.
Dann staune ich nur noch, über Heike. Ganz locker läuft sie ihren ersten M, entschliesst sich ganz spontan die 50 vollzumachen, um dann nach der Nachtruhe nochmals ein paar km dranzuhängen, auf insgesamt 76,260 km.
Kolibri, mit in den 60ern nutzt diesen Lauf als letzte Vorbereitung für den TU und bleibt irgendwo in den 60ern km, aus Vernunftsgründen.
Knapp unter oder knapp über 60 km dürfte Jonah erreicht haben, eine ganz hervorragende leistung in seinem Alter.
Monika (Laufschnecke) erscheint irgendwann gegen 4 Uhr morgens auf der Piste, um so 20 km zu laufen. Es wird ein M und ihr erster UM, mit knapp über 50 km.
Gregor, der mit Monika mitgekommen ist, läuft hier seinen 10. M, am 150. streak-Tag und verkündet dann lauthals auch die 50 vollmachen zu wollen.
Das klappt aber nicht, weil beim Bla-Bla-Bla und auf der Wiese liegen wollen einfach keine zusätzlichen km zusammen kommen.
Lina kann den M leider nicht vollmachen, ihr geht es bereits am ersten Tag nicht so gut und wird von Muttern abgeholt.
Meine Meinung: Wir waren eine ganz tolle Truppe und ich habe jede Menge netter Foris neu oder wiedergetroffen.
Und jetzt freue ich mich schon wie Bolle auf den NOK-Lauf.
Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
Besonderer Dank an Frank, der uns immer wieder aufmuntern konnte und mit seinen Interviews bei passenden Gelegenheiten aus der Versenkung hoch holte.