Wesergebirgsläufer
Neuauflage 2024

Tagebuch Juli 2017

 


 01.07.2017
Ganz langsam bin ich mit dem Laufen wieder angefangen und habe heute die fünf Kilometer Strecke geschafft. Es hat mir richtig Freude gemacht und die Motivation für neue Strecken ist erwacht.



02.07.2017
Bei angenehmen Temperaturen bin ich heute im Schaumburger Wald unterwegs gewesen. Gut acht Kilometer kamen zusammen. Dabei habe ich Schloß Baum einen Besuch abgestattet. Lange war ich nicht mehr hier. Die Buchenhecke des symbolischen Lebenskreises am Mausoleum ist schön zugewachsen. Da haben sich die Gärtner echt Mühe gemacht.
Auf dem Rückweg merke ich deutlich, das mir die Kraft noch fehlt. Aber ich will man ganz zufrieden sein, das ich überhaupt schon so weit komme.


Immer wieder ein mystischer Ort.



Der Lebenskreis, beschrieben von Theodor Fontane:


Immer enger, leise, leise,
Ziehen sich die Lebenskreise,
Schwindet hin, was prahlt und prunkt,
Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben,
Und ist nichts in Sicht geblieben
Als der letzte dunkle Punkt.



24.07.2017
Heute Abend konnte ich mich nicht länger bremsen. Trotz strömenden Regen bin ich drei Kilometer durchs Dorf getrabt. Das fühlte sich an wie in alten Zeiten.


25.07.2017
Seit gestern regnet es fast ununterbrochen. Aber das konnte mich heute Abend nicht bremsen. Auf dem Weg zum Gevattersee wurde aus dem einfachen Regen ein richtig schöner Starkregen. Irgendwie freute ich mich wie ein kleines Kind und konnte es kaum abwarten, endlich los zu laufen.
Dann war es so weit. Start wie immer an der Aue. Und dieser kleine Fluss war nicht wieder zu erkennen. Er flutete bereits die angrenzende Weide und erreichte schon um wenige Zentimeter das Brückengewölbe. Wie schnell sich die Landschaft doch verändern kann. Das bemerkte ich auch an den Wegen. Sie standen alle knöcheltief unter Wasser und nach einhundert Metern hatte ich klitsche nasse Füße. Aber das störte mich in keiner Weise. Ich wusste ja, was mich noch erwarten würde und das ich hier nicht trockenen Fußes rauskomme.
Aber ich freute mich wie doll. Ließ keine Pfütze aus, immer mitten durch. Dass ich das nach den letzten schlimmen Monaten wieder so genießen kann, das ist schon ein kleines Wunder. Wäre ich dreißig Jahre eher geboren, würde ich wohl nicht überlebt haben.
Mit dieser Gewissheit im Kopf wird man demütig. Da spielt auch die Zeit, die ich momentan für einen Kilometer brauche, keine Rolle mehr. Ich bin froh und glücklich überhaupt noch laufen zu können.
Das Rauschen der Bäume, die Regentropfen, die dick und schwer auf den Boden schlage und in dicken Blasen wieder hochspringen. All das erinnert mich heute an meine Kindheit. Hier, wo ich jetzt laufe, haben wir vor fünfzig Jahren als Kinder auch schon im Sommer gespielt und wurden dabei von manchen Regen Schauer überrascht. Das kam mir so richtig in Erinnerung. Eigentlich hatten wir eine schöne Kindheit, auch hier draußen, im Wald. Da gab es die Gevatter Seen noch gar nicht. Da war alles freies Feld und im Herbst ließen wir hier die Drachen steigen. Die Kindheitserinnerungen holen mich ein,
So in Gedanken versunken läuft die Zeit dahin und ich bin im „Kampfgebiet“ unserer Kindheit. Bei den Hexenteichen. Hier mussten wir Dankerser Kinder die kleine Insel auf dem Teich gegen die Meißener Kinder verteidigen, oder anders herum. Je nachdem, wer sie früh genug besetzt hatte.
Der Weg entlang der Teiche steht auch voller Wasser und jeder Tritt wird ein Tritt ins Ungewisse. Aber es macht unheimlich Spaß, hier und jetzt zu laufen.
Kein Mensch begegnet mir, lediglich ein Hase springt am Wegesrand auf und flüchtet. Das war, glaube ich jedenfalls, der erste Hase in diesem Jahr, der mir hier begegnete. Die sind verdammt wenige geworden, im Vergleich zu unserer Kindheit.
Ich bin nun auf dem Rückweg. Der Regen hat ein klein wenig nachgelassen und ich bin immer noch glücklich und zufrieden. Der Spaß am Laufen, egal wie das Wetter ist, der ist richtig zurückgekehrt.
Nach vier Kilometern bin ich zurück am Auto, mache noch ein paar Fotos und dann fahre ich glücklich und zufrieden nach Hause.


Da kommt wohl noch was auf uns zu. Das Wasser steigt immer noch.


29.07.2017
Das Regenwetter hat sich deutlich beruhigt. Im Wald an den Gevatter Seen kann man jetzt wieder in normalen Schuhen wandern. Das haben wir mit den Hunden auch jeden Tag genossen. Die beiden Strolche sind richtig scharf auf ihre täglichen Schwimmeinheiten. Die bekommen sie auch immer. Vor allem Blacky, der zieht ganz stolz seine Bahnen, während Raika nur immer Stöckchen apportieren will. Ach, ist das herrlich.
Die Schwäne führen uns stolz ihren Nachwuchs vor. Eine Pracht, wie die Kleinen gedeihen.



Dann erlebten wir ein kleines Naturwunder mit einem kleinen, trockenen Blatt Laub. Es schwebte in ca. zwei Metern Höhe über dem Boden, schoss plötzlich vier, fünf Meter hoch. Dann taumelte es langsam wieder auf Kopfhöhe. Wir standen dabei unter riesigen Buchen, wie in einer Kuppel. Die Sonne durchflutete diese Kuppel und das Blatt schwebte Minutenlang nach rechts, nach links, auf und ab. Ich fuhr mit den Händen um das Blatt herum, wollte fühlen, ob da vielleicht ein Seidenfaden gesponnen war, an dem das Blatt hing. Aber nichts dergleichen. Es schwebte wirklich frei im Raum.
Für uns ein Minuten lang dauerndes Schauspiel, das uns fest in seinen Bann zog.
Wenn man die Augen aufhält, dann kann man immer noch kleine Wunder sehen und die Natur mit neuen Augen betrachten.
Auf unserem Rückweg, eine halbe Stunde später, da tanzte das Blatt nämlich immer noch in der Thermik.